Sexuell übertragbare Infektionen (STI) sind weitverbreiteter als viele denken. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation infizieren sich weltweit täglich über eine Million Menschen mit einer STI. In Deutschland sind besonders Chlamydien, HPV-Infektionen und Syphilis auf dem Vormarsch. Doch was genau sind STI, welche Arten gibt es und wie kann man sich effektiv schützen?
Was sind sexuell übertragbare Krankheiten?
Sexuell übertragbare Infektionen (STI) sind Erkrankungen, die hauptsächlich durch sexuellen Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen werden. Der Begriff umfasst eine Vielzahl von Infektionen, die durch Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten verursacht werden. Früher sprach man von Geschlechtskrankheiten, heute wird bevorzugt von STI (sexually transmitted infections) gesprochen, da nicht jede Infektion zwangsläufig zu einer Erkrankung mit Symptomen führt.
Die Übertragung erfolgt in der Regel durch direkten Kontakt mit infizierten Schleimhäuten, Körperflüssigkeiten oder Hautstellen beim Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr. Manche STI können auch durch Blut übertragen werden oder von der Mutter auf das Kind während Schwangerschaft, Geburt oder Stillzeit.
Überblick über die häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen
Chlamydien – Die häufigste bakterielle STI
Chlamydien gehören zu den am weitesten verbreiteten sexuell übertragbaren Infektionen in Deutschland. Die Infektion wird durch das Bakterium Chlamydia trachomatis verursacht und betrifft besonders häufig junge Erwachsene zwischen 15 und 25 Jahren.
Typische Symptome:
- Bei Frauen: Ausfluss, Brennen beim Wasserlassen, Unterleibsschmerzen
- Bei Männern: Ausfluss aus der Harnröhre, Brennen beim Wasserlassen
- Häufig verläuft die Infektion symptomfrei (70 Prozent der Frauen, 50 Prozent der Männer)
Folgen bei Nichtbehandlung: Unbehandelte Chlamydien können bei Frauen zu Eileiterentzündungen und Unfruchtbarkeit führen. Bei Männern sind Entzündungen der Nebenhoden möglich. Die gute Nachricht: Chlamydien lassen sich mit Antibiotika vollständig heilen.
Gonorrhoe (Tripper) – Die unterschätzte Infektion
Die Gonorrhoe wird durch das Bakterium Neisseria gonorrhoeae ausgelöst und zeigt seit Jahren steigende Fallzahlen. Besonders problematisch: Zunehmende Antibiotikaresistenzen erschweren die Behandlung.
Typische Symptome:
- Eitriger Ausfluss (gelblich-grün)
- Starkes Brennen beim Wasserlassen
- Bei rektaler Infektion: Juckreiz, Ausfluss, Schmerzen
- Bei Rachenentzündung: oft symptomfrei oder Halsschmerzen
Besonderheiten: Gonorrhoe kann auch Augen, Rachen und Enddarm befallen. Ohne Behandlung drohen schwere Komplikationen wie Gelenkentzündungen oder Unfruchtbarkeit.
Syphilis – Die Rückkehr einer historischen Krankheit
Syphilis galt lange als nahezu ausgerottet, erlebt aber seit etwa 15 Jahren ein besorgniserregendes Comeback. Die Infektion mit dem Bakterium Treponema pallidum verläuft in mehreren Stadien.
Verlauf in Stadien:
Primärstadium (2-3 Wochen nach Infektion):
- Schmerzloses Geschwür (Schanker) an der Eintrittsstelle
- Geschwollene Lymphknoten
- Geschwür heilt nach 4-6 Wochen ab (Infektion bleibt!)
Sekundärstadium (6-12 Wochen nach Infektion):
- Hautausschlag am ganzen Körper
- Grippeartige Symptome
- Haarausfall an einzelnen Stellen
Tertiärstadium (Jahre später):
- Schwere Organschäden (Herz, Gehirn, Nerven)
- Heute selten durch frühe Behandlung
HIV und AIDS – Chronische, aber behandelbare Infektion
Das HI-Virus (Human Immunodeficiency Virus) greift das Immunsystem an und kann unbehandelt zu AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome) führen. Dank moderner Medikamente können HIV-positive Menschen heute ein nahezu normales Leben führen.
Akute HIV-Infektion (2-4 Wochen nach Ansteckung):
- Fieber, Nachtschweiß
- Geschwollene Lymphknoten
- Hautausschlag
- Grippeartige Symptome
Chronische Phase:
- Oft jahrelang symptomfrei
- Virus vermehrt sich kontinuierlich
- Ohne Behandlung: Schwächung des Immunsystems
Wichtig zu wissen: Unter wirksamer HIV-Therapie ist das Virus nicht mehr nachweisbar und nicht mehr übertragbar (U=U: undetectable = untransmittable). HIV-positive Menschen können mit Behandlung eine normale Lebenserwartung erreichen.
HPV (Humane Papillomviren) – Die häufigste virale STI
HPV-Infektionen sind extrem verbreitet: Etwa 80 Prozent aller sexuell aktiven Menschen stecken sich im Laufe ihres Lebens mindestens einmal an. Es gibt über 200 verschiedene HPV-Typen, von denen einige harmlos sind, andere jedoch zu Krebs führen können.
Niedrigrisiko-HPV-Typen:
- Verursachen Genitalwarzen (Feigwarzen)
- Unangenehm, aber nicht gefährlich
- Gut behandelbar
Hochrisiko-HPV-Typen:
- Können zu Gebärmutterhalskrebs führen
- Auch Anal-, Penis- und Rachenkrebs möglich
- Oft jahrelanger symptomfreier Verlauf
Schutz durch Impfung: Die HPV-Impfung schützt vor den gefährlichsten HPV-Typen und wird für Mädchen und Jungen zwischen 9 und 14 Jahren empfohlen. Auch Nachholimpfungen bis 17 Jahre werden von den Krankenkassen übernommen.
Hepatitis B und C – Entzündung der Leber
Hepatitis B und C sind Viruserkrankungen, die die Leber angreifen und sowohl sexuell als auch über Blut übertragen werden können.
Hepatitis B:
- Übertragung durch Körperflüssigkeiten (Blut, Sperma, Vaginalsekret)
- Oft symptomfrei oder grippeähnliche Beschwerden
- Kann chronisch werden (5-10 Prozent der Fälle)
- Schutzimpfung verfügbar und empfohlen
Hepatitis C:
- Hauptsächlich über Blutkontakt übertragen
- Sexuelle Übertragung seltener, aber möglich
- Hohe Rate chronischer Verläufe (bis 80 Prozent)
- Moderne Medikamente ermöglichen heute Heilung in über 95 Prozent der Fälle
Herpes genitalis – Wiederkehrende Bläschenbildung
Herpes genitalis wird durch das Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV-2) oder seltener durch HSV-1 verursacht. Einmal infiziert, verbleibt das Virus lebenslang im Körper und kann immer wieder reaktiviert werden.
Symptome:
- Schmerzhafte Bläschen im Genitalbereich
- Brennen, Juckreiz, Kribbeln
- Grippeartige Beschwerden beim Erstausbruch
- Wiederkehrende Schübe, oft in Stressphasen
Behandlung: Antivirale Medikamente können die Symptome lindern und die Dauer von Ausbrüchen verkürzen. Eine vollständige Heilung ist nicht möglich.
Trichomoniasis – Die unterschätzte Parasiteninfektion
Trichomoniasis wird durch einzellige Parasiten (Trichomonas vaginalis) verursacht und ist weltweit eine der häufigsten nicht-viralen STI.
Symptome:
- Bei Frauen: Übelriechender, schaumiger Ausfluss (gelblich-grün)
- Brennen beim Wasserlassen
- Juckreiz im Genitalbereich
- Bei Männern: oft symptomfrei
Behandlung: Antibiotika (Metronidazol) heilen die Infektion zuverlässig. Wichtig: Partner:innen sollten mitbehandelt werden, um Ping-Pong-Effekte zu vermeiden.
Wie schütze ich mich vor sexuell übertragbaren Infektionen?
Kondome und Femidome konsequent verwenden
Kondome bieten den besten Schutz vor den meisten STI, wenn sie konsequent und korrekt angewendet werden. Sie schützen effektiv vor HIV, Gonorrhoe, Chlamydien und Hepatitis B. Bei HPV und Herpes ist der Schutz eingeschränkt, da diese Infektionen auch über Hautkontakt außerhalb der von Kondomen bedeckten Bereiche übertragen werden können.
Praktische Tipps für sicheren Kondomgebrauch:
- Kondom vor dem ersten Kontakt mit Schleimhäuten überziehen
- Auf Haltbarkeitsdatum achten
- Kondom nur einmal verwenden
- Passende Größe wählen (zu klein oder zu groß erhöht Risiko)
- Bei Latex-Allergie: Kondome aus Polyurethan oder Polyisopren nutzen
Femidome (Kondome für die Frau) bieten eine Alternative und können bereits mehrere Stunden vor dem Sex eingeführt werden.
Regelmäßige STI-Tests wahrnehmen
Viele STI verlaufen symptomfrei, können aber dennoch übertragen werden und zu Langzeitschäden führen. Regelmäßige Tests sind deshalb ein wichtiger Bestandteil sexueller Gesundheit.
Empfohlene Testhäufigkeit:
- Bei wechselnden Partner:innen: alle 3-6 Monate
- Zu Beginn einer neuen Beziehung: gemeinsamer Test
- Nach ungeschütztem Sex: Test nach Ablauf der Inkubationszeit
- Bei Symptomen: sofort
Wo kann ich mich testen lassen?
- Hausarzt/Hausärztin
- Gynäkolog:innen, Urolog:innen
- Gesundheitsämter (oft kostenlos und anonym)
- AIDS-Hilfen und Checkpoints
- Spezialisierte STI-Ambulanzen
Impfungen nutzen
Gegen einige sexuell übertragbare Infektionen gibt es wirksame Impfungen:
HPV-Impfung:
- Für Mädchen und Jungen ab 9 Jahren empfohlen
- Schützt vor den gefährlichsten krebsauslösenden HPV-Typen
- Am wirksamsten vor dem ersten Sexualkontakt
- Auch Nachholimpfungen möglich
Hepatitis-B-Impfung:
- Für alle empfohlen, oft bereits im Kindesalter
- Bietet lebenslangen Schutz
- Besonders wichtig für Menschen mit häufig wechselnden Partner:innen
Offene Kommunikation mit Partner:innen
Das Sprechen über sexuelle Gesundheit und STI-Status sollte selbstverständlich sein, ist aber oft mit Scham besetzt. Offene Kommunikation schützt beide Partner:innen und ist ein Zeichen von Verantwortung und Respekt.
Gesprächsanlässe schaffen:
- Vor dem ersten gemeinsamen Sex über Tests sprechen
- Eigene Testergebnisse teilen
- Bei neuen Symptomen sofort informieren
- Gemeinsam über Schutzmethoden entscheiden
PrEP als zusätzlicher HIV-Schutz
Die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) ist eine medikamentöse HIV-Vorbeugung für Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko. Die tägliche Einnahme eines antiretroviralen Medikaments verhindert eine HIV-Infektion mit sehr hoher Sicherheit (über 99 Prozent).
PrEP ist sinnvoll für:
- Menschen mit HIV-positivem Partner/Partnerin ohne wirksame Therapie
- Männer, die Sex mit Männern haben und Analsex ohne Kondom praktizieren
- Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartner:innen
- Personen, die Sexarbeit nachgehen
Die Kosten werden bei medizinischer Indikation von den Krankenkassen übernommen.
Was tun bei Verdacht auf eine STI?
Symptome ernst nehmen
Auch unspezifische Symptome wie Brennen beim Wasserlassen, Ausfluss, Hautveränderungen oder Lymphknotenschwellungen sollten ärztlich abgeklärt werden. Je früher eine STI erkannt wird, desto besser ist sie behandelbar und desto geringer sind Folgeschäden und Übertragungsrisiken.
Ärztliche Beratung suchen
Bei Verdacht auf eine STI sollten Sie zeitnah medizinischen Rat einholen. Alle Ärzt:innen unterliegen der Schweigepflicht – Ihre Informationen werden vertraulich behandelt. Gesundheitsämter und AIDS-Hilfen bieten oft anonyme Beratung und Tests an.
Partner:innen informieren
Bei einer positiven STI-Diagnose ist es wichtig, alle Sexualpartner:innen der letzten Wochen oder Monate zu informieren. Dies ermöglicht ihnen, sich testen und gegebenenfalls behandeln zu lassen. So wird eine weitere Verbreitung verhindert.
Behandlung konsequent durchführen
Die meisten bakteriellen STI sind mit Antibiotika gut heilbar, virale Infektionen können zumindest kontrolliert werden. Wichtig ist, die Behandlung vollständig durchzuführen, auch wenn Symptome bereits verschwunden sind. Während der Behandlung sollte auf Geschlechtsverkehr verzichtet oder Kondome verwendet werden.
Mythen und Fakten über STI
Mythos: “STI sieht man jemandem an.” Fakt: Die meisten STI verlaufen symptomfrei. Man kann nicht erkennen, ob jemand eine Infektion hat.
Mythos: “Oralverkehr ist sicher.” Fakt: Viele STI können auch beim Oralverkehr übertragen werden, darunter Gonorrhoe, Syphilis, Herpes und HPV.
Mythos: “Nach einer Heilung bin ich immun.” Fakt: Nur bei wenigen STI entwickelt der Körper eine Immunität. Bei bakteriellen Infektionen wie Chlamydien oder Gonorrhoe kann man sich immer wieder anstecken.
Mythos: “Die Pille schützt vor STI.” Fakt: Hormonelle Verhütungsmittel schützen nur vor Schwangerschaft, nicht vor Infektionen. Zusätzlich sind Kondome erforderlich.
Mythos: “STI sind peinlich und bedeuten mangelnde Hygiene.” Fakt: STI können jede sexuell aktive Person treffen und haben nichts mit Sauberkeit zu tun. Sie sind eine medizinische Realität, kein moralisches Versagen.
Fazit: Sexuelle Gesundheit ist Eigenverantwortung
Sexuell übertragbare Infektionen sind verbreiteter als viele denken, aber auch gut vermeidbar und meist gut behandelbar. Die wichtigsten Schutzmaßnahmen sind konsequente Kondomnutzung, regelmäßige Tests, verfügbare Impfungen und offene Kommunikation mit Sexualpartner:innen.
Sexuelle Gesundheit sollte kein Tabuthema sein. Je selbstverständlicher wir über STI sprechen, Tests wahrnehmen und uns schützen, desto besser können wir uns und andere vor Infektionen bewahren. Bei Verdacht auf eine STI gilt: Je früher Sie handeln, desto besser sind die Heilungschancen und desto geringer die Risiken für Folgeschäden.
Nutzen Sie die zahlreichen Beratungs- und Testangebote in Ihrer Nähe. Ihre sexuelle Gesundheit liegt in Ihrer Hand – informieren Sie sich, schützen Sie sich und nehmen Sie Vorsorge ernst.



